Claude Dupraz (1933-2019)
Claude Dupraz war ein Pionier des Industriedesigns und ein verdienter Lehrer, tätig nicht nur in der Suisse romande, sondern auch im Mittleren Osten. Ein Nachruf von Claude Lichtenstein.
Am 12. September ist in Genf der Industriedesigner Claude Dupraz gestorben, ein Pionier dieses Berufs in der französischen Schweiz und ein verdienter Lehrer für zahlreiche Studierende – nicht nur in der Suisse romande, sondern auch im Mittleren Osten.
Geboren 1933 in eher bescheidenen Verhältnissen, besuchte Dupraz nach seiner Schulzeit in Genf die Ecole des Beaux-Arts – eine Ausbildung in Formen und Farben, die er als entscheidend für sein weiteres Leben bezeichnete. Nach zwei Jahren dort und mit einem Abschluss in Innenarchitektur bildete er sich in einem Architekturbüro weiter. Bereits mit 21 Jahren realisierte er, nun auf selbstständiger Basis, eine Reihe von Zeitungskiosken an frequentierten Punkten der Genfer Innenstadt. Wenig später traf er den jungen Architekten André Oberson, und zusammen mit ihm und dem Grafiker Michel Gallay gründet er MItte der 1950er-Jahre das Büro DOG, ein Akronym aus Dupraz-Oberson-Gallay. Die erste integrale Designagentur in der Suisse romande war aktiv in den Bereichen Architektur, Innenarchitektur, Industriedesign, Grafik und Ausstellungsgestaltung. Zu ihren Kunden zählten unter anderem die Firmen Lenco in Burgdorf, bekannt für ihre Plattenspieler, und die Genfersee-Schiffahrtsgesellschaft, für die sie das Motorschiff «Général Guisan» gestalteten, das 1964 in Betrieb genommem wurde.
Passionierter Lehrer
Zeitgleich mit Willy Guhl in Zürich begann Dupraz 1960, an der ECAL Industriedesign zu unterrichten, eine Tätigkeit, für die er sich sehr engagierte und die 1966 in die Gründung einer entsprechenden Fachklasse mündete. Bis 1995 blieb er der Schule als Lehrer verbunden. Eine Folge daraus war jedoch die Auflösung von DOG. Danach tat Dupraz sich mit dem Grafiker Georges Calame zusammen. Unter dem Namen CDA (Calame Dupraz Association) erhielten sie verschiedene Aufträge für die Weltausstellung Montreal 1967, darunter die Konstruktion und die Gestaltung der Transportbahn Monorail und die Gestaltung der Pavillons von Algerien und Belgien. Das Monorail war wohl Dupraz’ Arbeit mit der höchsten Prominenz. Ein Zweigbüro von CDA in Mailand wurde 1969 eröffnet, jedoch 1971 wieder geschlossen, da eine neue Aufgabe zu bewältigen war: 1969 wurden Dupraz und Calame mit dem Aufbau einer Designschule in Pakistan beauftragt, dem Pakistan Design Centre Karachi. Dupraz wurde zu deren Direktor ernannt, eine Aufgabe, die während eines Jahrzehnts, bis 1980, viel Engagement verlangte. Zudem hat Dupraz ab 1971 die Gründung der Genfer Erfindermesse, der weltweit bedeutendsten dieser Art, aktiv unterstützt und war als Mitglied der Jury des Designpreises tätig.
Verankert in der Praxis
Es ist erstaunlich, dass neben dem Unterrichten in Lausanne und Karachi noch eine beträchtliche Reihe von Produkten oder Entwürfen entstanden. Um nur einige zu nennen: Super-8-Kamera für Bolex, Uhren für Longines und Rolex, Mischbatterie für Kugler, Wärmeplatte für Sigg, Präzisions-Messgeräte für verschiedene Hersteller, darunter Mettler. Allen Arbeiten Dupraz’ liegt die Auffassung zugrunde, dass Design nicht als Luxus-Angelegenheit behandelt werden soll. Eine Zeit lang amtete Dupraz als Vizepräsident des SID, des Verbandes Schweizer Industrial Designers, zu dessen Gründungsmitgliedern er 1966 gehörte. Im persönlichen Gespräch bedauerte er, dass ganz allgemein wegen der Sprachbarriere der Austausch zwischen den Kollegen – und wenigen Kolleginnen – aus den Landesteilen der Deutsch- und Westschweiz sehr gehemmt war. Es scheint, dass Genf und Zürich auch von ihm als die peripheren Brennpunkte einer sehr langgezogenen Ellipse empfunden wurden. Wie viel weiter sind wir heute?