sda ba award 2023: HGK Basel, FHNW
Swiss Design Association prämiert jedes Jahr die besten Abschlussarbeiten, die an Schweizer Design Hochschulen im Bachelor eingereicht werden. Als Berufsverband setzen wir uns – seit über fünfzig Jahren – für eine hochstehende professionelle Ausbildung im Design ein.
Für den sda ba award 2023 der HGK Basel / FHNW nominierte die
Vertiefungen Industrial Design. Die Jury – mit Christine Urech, Lukas
Scherrer, Mela Medina und Philipp Städler unter Leitung von Valerie
Notter – prämierte die Arbeit von Ivo Allgöwer:
sda ba award 2023 winner
Zufall als Methode im Designprozess von Ivo Allgöwer
Designprozesse
folgen in der Regel einem klaren deterministischen Aufbau. Unter
wirtschaftlichem Druck werden Prozesse gestrafft, was schliesslich zu
einer geringeren Neuartigkeit der Lösungen führt. Ivo Allgöwers
Reflexion über seine eigene Kreativität und Motivation führte ihn zu der
Frage, wie der Zufall in einen klassischen Prozess integriert werden
kann. In einer Reihe von Experimenten entwickelte er drei Methoden, in
denen er unterschiedliche Formen des Zufalls für seine Inspiration und
Formgebung nutzte. Anhand der exemplarischen Gestaltung von drei Hockern
überprüfte und visualisierte er die Anwendbarkeit. Das zentrale
Resultat ist jedoch seine Publikation, welche eingefahrene Prozesse
hinterfragt und Designer:innen als Inspirationsquelle dienen soll.
Die Jury sieht darin den bedeutsamen Wert der unkonventionellen Arbeit: In einer Zeit grundlegender Umwälzungen, insbesondere mit dem Aufkommen künstlicher Intelligenz, wird zunehmend die Rolle von Designer:innen in Frage gestellt. Die Jury lobt den gelungenen Anstoss zur Diskussion über den Kern der Profession – ihre Arbeitsweise und Rolle. Ivo Allgöwer zeigt mit seiner Positionierung zudem auf, dass ein Studium im Design neben der klassischen Anwendung auch weitere Perspektiven eröffnen kann. Mit der Verleihung des Preises soll diese Auseinandersetzung die Unterstützung des Verbands erfahren.
Die weiteren nominierten Projekte sind (ohne Rangfolge):
Liro von Sebastian Aellig
Lithium-Ionen-Akkus werden aus seltenen Rohstoffen hergestellt, welche unter fragwürdigen Bedingungen für Mensch und Natur abgebaut werden. Diese Akkus haben eine niedrige Laufzeit und müssen am Ende ihrer Lebensspanne energieaufwendig rezykliert werden. Mit seiner Bachelorarbeit erarbeitete Sebastian Aellig eine überzeugende Alternative für die Anwendung im Logistikbereich, wo der Einsatz eines integrierten Schwungradspeichers Sinn macht. In einem schlüssigen Industriedesign-Prozess integriert er das Funktionsprinzip geschickt in die Formgebung. Das autonome Fahrzeug kann mit ausklappbaren Hubarmen Lasten anheben, senken und während des Transports kompakt auf der Fahrzeugoberseite platzieren.
Die Jury lobt die sattelfeste technische Argumentation und die realistische Einschätzung, mit welcher Sebastian Aellig den Markt analysiert. Sie ermutigt ihn dazu, die Relevanz dieser weltumspannenden Branche noch klarer hervor zu heben und das Projekt in Zusammenarbeit mit Ingenieur:innen weiter zu verfolgen.
La Roue von Christine Beglinger
Gärtnern hat einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität, bietet jedoch auch viele Hürden und Herausforderungen. Wenn sie ergonomisch gestaltet ist, kann eine Giesskanne dazu beitragen, dass die grüne Oase für alle Menschen zugänglich bleibt. Christine Beglinger wagte sich in ihrer Bachelorarbeit an das Redesing eines Klassikers, welcher von den befragten Menschen besonders nachgefragt wurde. Dazu recherchierte sie die Einschränkungen und Bedürfnisse insbesondere von rheumakranken Menschen, trat mit verschiedenen Stakeholdern in Kontakt und überführte ihre Beobachtungen und Schlussfolgerungen unter Berücksichtigung der ergonomischen Prinzipien in eine neuartige Formgebung.
Die Jury anerkennt den sauber durchgespielten Designprozess und die gesellschaftliche Relevanz barrierefreier Gestaltung. Ob es mit dem Resultat gelingt, die Herstellungskosten niedrig zu halten und eine einfache Individualisierung des Griffs zu ermöglichen, müsste jedoch in Zusammenarbeit mit Ingenieur:innen noch erörtert werden.
Habil von Alexander Masiello
Das Anziehen von Kompressionsstrümpfen erfordert Geschicklichkeit und eine Reihe von motorischen Prozessen. Dies stellt vor allem für Personen mit eingeschränkter Kraft, Feinmotorik oder Mobilität eine Herausforderung dar. Mit seinem Bachelorprojekt «habil» präsentiert Alexander Masiello ein Hilfsmittel für das selbstständige An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen insbesondere für Menschen mit Morbus Parkinson. Aus den Erkenntnissen seiner Recherche, Stakeholderbefragung und Marktanalyse leitete er eine achtteilige Prototypenserie ab. Unter Einbezug des Feedbacks von Fachpersonen, welche die Funktionsmodelle prüften, entstand dann das finale Modell.
Die Jury anerkennt die Relevanz der Fragestellung und die pragmatische Themenwahl einer sehr konkreten und unkompliziert umsetzbaren Verbesserung im Alltag. Für die Produktpositionierung möchte sie Alexander ermuntern, sowohl das Szenario eines leichten mobilen und preisgünstigen Produkts sowie einer edel ausgearbeiteten Variante als Teil der Schlafzimmereinrichtung zu prüfen.
Oru Bench von Luc Reinacher
Kleine Wohnung, gerade Besuch und zu wenige Sitzmöglichkeiten für die Besucher:innen? Ausgehend von einem eigenen Bedürfnis in seiner Wohngemeinschaft gestaltete Luc Reinacher eine Bank, aus welcher drei Hocker herausgelöst werden können: Aus drei Sitzplätzen werden sechs – so passt sich die «Oru Bench» an die wechselnden Situationen des täglichen Lebens an. Mit geschicktem Storytelling und Medieneinsatz führt Luc den gelungenen Überraschungseffekt des Möbels ein. Das feine Gespür für Gestaltung zeigt sich auch in der formalen Umsetzung des Konzepts. Gleichzeitig ist Luc sich der noch ungelösten technischen Details bewusst.
Die Jury lobt die zeitgemässe Auseinandersetzung mit beschränkter Wohnfläche und rät dazu, das edle Möbelstück in der kaufkräftigen Tiny-House Szene zu positionieren. Sie bestätigt Luc Reinacher darin, den Entwurf zusammen mit Schreiner:innen weiter zu verfolgen und die noch offenen Detailfragen zu lösen.
PIEGATA von Louis Scheurer
Wie werden wir im Büro der Zukunft kommunizieren? Seit der Corona-Pandemie hat sich das Arbeiten im Büro stark verändert. Remote Work und Homeoffice sind längst Standard, und wer heute als attraktives Unternehmen gelten will, sollte eine attraktive Arbeitsatmosphäre bieten, die zum Austausch mit Kolleg:innen vor Ort einlädt.
In seiner Recherche identifiziert Louis neben dem Bedürfnis nach Kommunikation auch jenes nach Rückzug. Um diese beiden kontrastierenden Bedürfnisse in einem Möbelstück zu vereinen, lässt sich Louis von der Natur inspirieren. Der Abgleich mit menschlichem Empfinden führt ihn zu den Settings, an welchen er von da an festhält: Einer offenen Bank-Situation, einem auf die Arbeitsfläche konzentrierten Lichtkegel und einem beweglichen Element zum Wechsel zwischen den beiden Situationen.
Die Jury bestätigt die Nachfrage nach neuen Lösungen und empfiehlt, diese zu adressieren, die spezifischen Stakeholder mit einzubeziehen und die formale Umsetzung von konkreten Szenarien abzuleiten.