sda ba award 2021: ZHdK
Jedes Jahr prämieren wir die besten Abschlussarbeiten, die an Schweizer Design Hochschulen im Bachelor eingereicht werden.Für den sda ba award 2021 der ZHdK nominierten die Vertiefungen Interaction Design, Industrial Design und Trends & Identity sechs Projekte. Die Jury – mit Dominic Sturm, Meret Ernst, Tobias Koller und Benjamin Moser unter Leitung von Valerie Notter de Rabanal – prämierte die Arbeit aus der
Vertiefung Industrial Design
sda ba award winner
Daniel Moser
H₂OME – Die Gestaltung eines autarken Wasserkreislaufsystems für mobile Kleinwohnformen
Daniel Moser gestaltet mit «H₂OME» ein autarkes Wasserkreislaufsystem für mobile Kleinwohnformen und setzt es in eine überzeugende Gestatung um. Das modular aufgebaute System reagiert auf lokale Wasserknappheit in der Schweiz und ist für den durchschnittlichen Wasserverbrauch von zwei Personen ausgelegt. Ein Kreislauf für Trinkwasser und ein Kreislauf für Nutzwasser wird durch sieben natürliche Filterstufen geführt. Dazu bilden drei gestaltete Module einen geschlossenen Kreislauf. Das System, das bestehende Lösungen sinnvoll kombiniert, funktioniert witterungs- und damit jahreszeitenunabhängig. Im Gegensatz zu bestehenden Lösungen verbessert «H₂OME» den Komfort in der Bedienung und den Wirkungsgrad der Filterstufen.
Die Jury lobt die überzeugende, bis in die hohe Detaillierung durchdachte Arbeit an einem System. Daniel Moser hat von Beginn weg auf die richtigen Partner gesetzt und so das Maximum aus seiner Bachelor-Arbeit herausgeholt. Er hat die bisherigen Forschungsresultate integriert und in seinem Beispiel sinnvoll eingesetzt. Weiter zeigt er auch eindrücklich auf, welchen Anteil Design in diesem Prozess abdecken kann. Trotz des etwas engen Fokus auf den Kontext Tiny Home überzeugt die Arbeit umfassend. Die Jury ermutigt, dass sie weitergetrieben und auf andere Anwendungsfälle skaliert werden sollte.
Wir gratulieren herzlich!
Die weiteren nominierten Projekte sind (ohne Rangfolge)
Industrial Design
sda ba award nominee
Julia Bächi
S’WERVE – Ein Basketballrollstuhl mit innovativem Lenksystem
«Lenken durch Schwenken»: diesen Grundsatz verfolgt Julia Bächi mit ihrem Rollstuhl-Konzept «S'WERVE», das sich in erster Linie an Rollstuhl-Basketball-Spieler*innen richtet. Bei diesem Sport werden die Hände einerseits zum Antreiben und Lenken des Rollstuhls und andererseits zum Spielen des Balls verwendet. Sind die Hände frei fürs Spiel, wird ein effektiver und effizienter Spielfluss möglich. «S'WERVE» nutzt deshalb die Gewichtsverlagerung für die Steuerung und geht dabei vom Prinzip der Surf-Skate Achse aus. Das erschliesst der Sportart neue Möglichkeiten.
Die Jury lobt die hohe Usability des Prototyps, der intuitiv vermittelt, was das Konzept leistet. Die formale Gestaltung überzeugt auch im Hinblick darauf, dass die Designerin einen sinnvollen Entwurf entwickelt hat, der als eigenständiges Sportgerät und nicht als Krücke wahrgenommen werden will. Die fertigungstechnischen Aspekte sollten in einem nächsten Schritt besser abgeklärt werden, und es wäre wohl auch Potenzial vorhanden, das Konzept über die Grenzen des Rollstuhl-Basketballs hinaus weiterzuführen.
Trends & Identity
sda ba award nominee
Tim Köhli
Gebührensäcke – Eine ethnografische Recherche
Die Vielfalt ist beachtlich und die hohe Nutzung auch: Gebührensäcke werden von den Gemeinden produziert und gestaltet und sie prägen unser Strassenbild. Tim Köhli hat sich zur Aufgabe gemacht, ihre unbeachtete Alltagsästhetik zu untersuchen. Dazu beschaffte er sich sämtliche Gebührensäcke und veröffentlicht die Sammlung auf einer Website um zum kritischen Nachdenken über den Sinn und Unsinn des Abfalls und des Recyclings, aber auch über die gestalterische Kraft des Abfallsystem anzuregen. Die Sammlung ist sichtbarer Teil eines ethnografischen und künstlerischen Ansatzes, mit dem Tim Köhli auf das Design blickt, und soll fortlaufend ergänzt und erweitert werden. Suchkriterien erschliessen die Sammlung, was erfrischende Erkenntnisse generiert.
Die Jury lobt, wie Tim Köhli ein überraschendes Thema wählt und in einer eigenwilligen Recherche zu einer Sammlung fügt. Schön wäre es, wenn diese ethnografische Recherche eine weitergehende Anwendung gefunden hätte. Als Sammlung inspiriert sie, für eine weiterführende Forschung fehlen (noch) weitere Angaben, welche die Gebührensäcke als Artefakte definieren.
Trends & Identity
sda ba award nominee
Laura Lynn Reyes
Nom. 0 – Plant and waste-based tableware
Werden in der Gastronomie Lebensmittel verarbeitet, entsteht organischer Abfall. Laura Lynn Reyes, entdeckt darin eine natürliche Ressource für neue Materialien. Mit «Nom. 0» entwickelt sie in einem experimentellen Prozess aus pflanzenbasierten Abfällen Biomaterialien, die gesammelt, gefriergetrocknet, mit Lösungsmittel angereichert und mit Hitze und Druck zu Teller und Food Bags für Restaurants gepresst werden. Die Teller tragen den Duft und spiegeln die Ästhetik der ursprünglichen Zutaten. Damit komplementieren oder intensivieren sie das Aromaprofil einer Speise. Bevor sie in den natürlichen Kreislauf zurück gelangen, können sie ein bis zweimal mit Wasser gereinigt werden. Die Food Bags bestehen aus transparentem Biomaterial und werden für trockene Snacks verwendet. In heissem Wasser oder der Erde löst sich das Material wieder auf.
Die Jury lobt das kreisläufige Konzept inklusive dem Branding: es wirkt stimmig, aktuell und sinnlich. Den Kontext verortet die Jury in der experimentellen Highend Gastronomie, wo das sinnliche Potenzial in Kombination mit speziell entwickelten Menüs ausgeschöpft werden kann. Das Problem Foodwaste kann indes mit dieser Idee nicht überzeugend gemindert werden, auch sind Energiebilanz und alternative, serielle Fertigungsprozesse zu wenig abgeklärt. Doch als Beitrag zu Materialforschung und als Reflexion darauf, was Designer*innen für die Gastronomie leisten können, gefällt das Projekt der Jury sehr.
Interaction Design
sda ba award nominee
Lilian Lopez, Yangzom Sharley, Sonjoi Nielsen
Personendepot – Eine soziale Anti-Social Media Plattform
Social Media schliessen aus, setzen Druck auf, verführen uns zu übermässigem Konsum. Dagegen stellt «Personendepot» als «soziale Anti-Social Media Platform» eine Alternative. Sie bietet einen Safe Space, ermöglicht es, fremden Menschen näher zu kommen und Einblick in die eigene Persönlichkeit zu teilen. Dazu wählt man ein Objekt, beschreibt es und lädt es hoch oder gibt es an vordefinierten Stellen ab. Dabei wird ein generischer Code für die anonymisierte Identifikation hinterlegt. So entsteht eine Sammlung von indirekten Porträts, sowohl im Netz als auch in einer Ausstellung. Stets bleiben die Objekte anonym und wirken doch sehr persönlich, denn die damit verknüpften Geschichten sind aussagekräftiger als ein Selfie. Aus Neugier durchstöbert man die Sammlung und beginnt über sich selbst nachzudenken. «Personendepot» basiert auf der Erkenntnis, dass wir uns über Objekte identifizieren und über Erinnerungen definieren.
Die Plattform dient so Menschen, die sich nicht exponieren aber trotzdem ein Publikum erreichen wollen, lobt die Jury. Doch der Austausch bleibt gezwungenermassen «anti-social» und die Anonymisierung führt dazu, dass die Kontexte, in denen die Objekte ausgewählt wurden, erratisch bleiben. So verliert die Database an Aussagekraft, was diese Gruppe von Menschen umtreibt, die herkömmlichen Social Media eine Alternative entgegensetzen wollen. Der Schritt von der Reflexion in die Aktion wird damit erschwert.
Interaction Design
sda ba award nominee
Zoë Urand, Roman Engler
Flink – Eine App für intrinsisches, kollaboratives und interdisziplinäres Lernen
Die Welt verändert sich und damit auch die Art und Weise wie wir unterrichten. Zeitgemässe Unterrichtsformen zielen darauf ab junge Menschen zu befähigen, sich engagiert und kreativ in einer sich rasant verändernden Umwelt orientieren zu können. Erfolgreiche Schüler*Innen lernen intrinsisch und entwickeln dabei interdisziplinäre und kollaborative Fähigkeiten. Um diese Vorgaben zu unterstützen, haben Zoë Urand und Roman Engler eine Lern-App entwickelt. Sie soll den Schüler*innen der Altersgruppe ab 8 bis 12 Jahren helfen, ihren eigenen Lernprozess zu dokumentieren. Dazu helfen ihnen visuelle Pfade, die sie selbständig ausfüllen und verknüpfen können. Die Schüler*Innen nutzen dabei kreative und kollaborative Arbeitsmethoden um so Zusammenhänge sowie Muster in ihren Arbeiten und in ihrem Lernprozess zu erkennen.
Die Jury sieht die App in erster Linie als interaktives Lernjournal in Form eines Endless Canvas. Der Vorschlag basiert auf der intensiven Zusammenarbeit mit einer 6. Klasse. Der funktionale Prototyp fehlt aber noch und damit der Nachweis, dass die Ziele mit Hilfe der App besser erreicht werden. Das Tool verlangt eine hohe Abstraktionsleistung und setzt auf dem Desktop-basierten Interface gestalterisch recht enge Parameter. Die Jury empfiehlt, Lehrpfade zu installieren, damit die Lehrperson den Unterricht auch für weniger selbständige Schüler*innen strukturieren und so die App als ergänzendes Mittel im Unterricht einsetzen kann.