sda ba award 2021: HSLU D&K
Jedes Jahr prämieren wir die besten Abschlussarbeiten, die an Schweizer Design Hochschulen im Bachelor eingereicht werden.Für den sda ba award 2021 der Hochscule Luzern Design & Kunst nominierten die Vertiefungen Textildesign, Objektdesign, XS Schmuck und Design Management International sechs Projekte. Die Jury – mit Heinz Caflisch, Meret Ernst, Andréa Muller und Mirjam Rombach (Hochparterre) unter Leitung von Valerie Notter de Rabanal – prämierte die folgende Arbeit:
Objektdesign
sda ba award winner
Martina Häusermann
Pressed Motion – Das Vokabular von dynamischer Extrusion
Extrusionsverfahren sind ein Standardverfahren im Industriedesign. Martina Häusermann will den konstanten Fluss gestalten, indem sie mittels beweglicher Aufsätze die Profile verändert. An der Schnittstelle von Design, Handwerk und Industrie erforscht sie so das Potenzial von dynamischer Keramikextrusion. Dynamische Strukturen, Formübergänge und Durchdringungen eröffnen vielfältige Anwendungen – sei es für seriell gefertigte Unikate oder in einem nächsten, noch nicht explorierten Schritt als industrielle Adaption des Verfahrens für die Architektur. Martina Häusermann stellt einen kohärenten und gut eingegrenzten Forschungsprozess vor. So hat sie sich anstelle der Entwicklung einer handwerklichen Anwendung für die Vertiefung ihres forschenden Prozesses entschieden. Dabei entwarf sie eine Notation, mit der die verschiedenen Variablen dargestellt werden können.
Die Jury lobt den umfassend recherchierten Ansatz, mit dem sie ein industrielles Verfahren verändert und auf sein brachliegendes gestalterisches Potenzial hin untersucht. Die dabei entstandenen
experimentellen Resultate überzeugen formal. Nun liegt es nahe, die Versuchsreihe darauf hin zu analysieren, welche Ansätze gewinnbringend in mögliche Anwendungen übersetzt werden können um daraus – zusammen mit Expert*innen – Innovationen zu generieren.
Die weiteren Nominierten sind:
Textildesign
sda ba award nominee
Chiara Elspass
insert explicit content here – Ideenkollektion zum Thema der sexuellen Belästigung im Internet
Sexuelle Belästigung gegenüber Frauen ist im virtuellen Raum zwar weit verbreitet, wird aber kaum thematisiert. Dieser Umstand inspiriert Chiara Elspass zu ihrer Ideenkollektion. Dabei zielt sie darauf ab, das Gespräch über Belästigung zu enttabuisieren. In ihren Entwürfen fokussiert sie auf sprachliche Beleidigungen, die sie auf Oberteilen, einem Jupe und mehreren Foulards gestaltet. Die Trägerin soll sich durch die mit Stickerei und Drucktechnik umgesetzten Botschaften gestärkt fühlen. Die Arbeit stellt einen Versuch dar, sich mit den Betroffenen zu solidarisieren.
Die Jury lobt die formal stringente und technisch gut umgesetzte Arbeit, die grafisch eine hohe Qualität aufweist. Chiara Elspass bearbeitet ein relevantes Thema, das sie aus dem digitalen Raum in die Wirklichkeit überträgt – dort, wo die Konfrontation unmittelbarer ist als im Schutz des entpersonalisierten Internets. Sie vermittelt jungen Frauen, an die sich ihre Ideenkollektion richtet, eine Ermutigung, sich gegen Belästigungen zu wehren. Die angedachte Vermittlung des Projekts auf Dating-Plattformen ist interessant; ob aus der Ideenkollektion eine Umsetzung entsteht, bleibt offen. Auch könnten die Techniken weiter experimentell ausprobiert werden, um so der diskursiven Stärke der Ideenkollektion noch besser zu entsprechen.
Textildesign
sda ba award nominee
Lara Schwyter und Celina von Moos
I feel good
Seit Beginn der Pandemie reagieren wir mit Angst und Unwohlsein auf Berührungen. Was eine Berührung emotional leisten kann, vergessen wir beim Bedienen von kalten, glatten Touchscreens. Celina von Moos und Laura Schwyter entwerfen gegen diesen Trend Textilien und Produktideen für den privaten Wohnbereich. Sie laden uns ein, unseren Tastsinn zu erproben und achtsam damit umzugehen. Der bewusste physische Kontakt mit der Umwelt soll unsere mentale Gesundheit stärken. Gefertigt werden die Objekte und Muster aus textilen Restmaterialien. Die Objekte sollen die Sinne anregen und dadurch nachhaltig glücklich machen.
Die Jury lobt die authentische und thematisch überzeugende Präsentation des theoretisch gut abgestützten Vorschlags. Die beiden Designerinnen haben im Prozess viel ausprobiert, auch was Techniken wie das Tuften betrifft. Indes überzeugt die formale Gestaltung noch nicht ganz. Die Entscheidung, ausschliesslich mit Restmaterial zu arbeiten, ist zwar gut begründet, schränkt aber die Qualität der Resultate ein: Haptisches Erleben vermittelt sich auch visuell.
Objektdesign
sda ba award nominee
Yuri Maurer
Metall 3D-Druck: Auch für Designschaffende geeignet?
Auf der Suche nach Antworten auf diese Frage begibt sich Yuri Maurer auf eine Reise in die Produktentwicklung. An der Schnittstelle zwischen Design und Engineering setzt er sich mit Methoden der Produktentwicklung auseinander und lernt Möglichkeiten und Grenzen der computergestützten Gestaltung und Fertigung kennen. Das dabei erarbeitete Wissen verbindet er mit seinen Erfahrungen im Fahrradbau: Eine individuell herstellbare Fahrradgabel entsteht.
Die Jury lobt, wie sich Yuri Maurer aufbauend auf seiner Tätigkeit als Rahmenbauer einem pezifischen Problem angenommen hat. Carbongabeln für Fahrräder sind zwar individuell herstellbar, aber nicht rezyklierbar. Metallgabeln gibt es hingegen nur in wenigen Formvarianten. Mittels Metall 3D-Druck und einer eigens entwickelten Konfigurationsmatrix schlägt Yuri Maurer ein adaptierfähiges Verfahren vor. Offen bleibt, ob dieser Vorschlag eine umsetzbare technische Lösung anbietet, da Faktoren wie Stückkosten, Produktionszeit, Gewicht und die Grössenlimitation des 3D-Druckers einer sinnvollen Anwendung entgegenstehen.
XS Schmuck
sda ba award nominee
Fabienne Wüthrich
JUWELEN VOR DEN AUGEN / Langlebigkeit im Brillendesign.
Fabienne Wüthrich will hochwertige und langlebige Brillengestelle aus Restmaterialien gestalten, die umgearbeitet und sogar weitervererbt werden können. Sie schlägt ein modular aufgebautes Brillensystem vor, das Brillen durch unterschiedliche Aufsätze zu Unikaten macht. Für die Gestelle aus Chromstahl werden Aufsätze aus Holz, Silber, Gold und Perlen gefügt. Individuell zusammengestellt, sind die Brillen wertbeständig und langlebig.
Als Goldschmiedin kann Fabienne Wüthrich sorgfältig konzipierte, technisch ausgereifte und innovative Lösungen präsentieren, lobt die Jury. Formal entwickelt sie eine eigene Sprache, die Schmuck und Funktion gleichwertig berücksichtigt. Auch überzeugt der Wille, das Projekt nachhaltig und bis hin zum Geschäftsmodell zu skizzieren. Die Brillen sind im Luxussegment angesiedelt und erfordern einen hohen Beratungsaufwand. Unhinterfragt bleibt, ob für eine teure Brille die Variabilität durch die verschiedenen Aufsätze tatsächlich nachgefragt und genutzt wird. Ausserdem bleibt offen, weshalb ein langlebiges Produkt, das so wenig Materialverbrauch aufweist wie eine Brille, auf
Restmaterialien reduziert werden soll.
Design Management International
sda ba award nominee
Noah Beerova
Holistic Continuity of Care: The Missing Piece in Women’s Journey to Relief in Vulvar Pain
Vulvodynie ist eine chronische Schmerzerkrankung der Vulva, die oft nicht, zu spät oder falsch diagnostiziert wird. Das Leben mit Schmerzen in einem Körperteil, der so eng mit Sexualität verknüpft ist, beeinträchtigt nicht nur das Wohlbefinden der betroffenen Frauen, sondern fordert auch die medizinische Betreuung heraus. Noah Beerova schlägt dagegen eine kontinuierliche Versorgung vor, die als Case Management auf einer guten Kommunikation zwischen Betroffenen und Mitarbeitenden im Gesundheitsbereich beruht und das Bewusstsein für Vulvodynie frühzeitig weckt.
Die Jury lobt den Mut von Noah Beerova, sich einem Thema zu widmen, das derart tabuisiert ist, im Verborgenen aber zu grossem Leid führt. Noah vertritt ihr Anliegen überzeugend und hat in ihrer Präsentation das Bewusstsein für diese Krankheit eindrücklich geweckt. Diese Herangehensweise – Bewusstsein erhöhen und Case Management – ist bei anderen Krankheiten bereits erprobt. Was noch fehlt, ist eine Erhebung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses des Case Management in diesem spezifischen Fall und wie dieses im Prozess konkret etabliert werden soll.