sda ba award 2020: ZHdK
Die Swiss Design Association prämiert jedes Jahr die besten Abschlussarbeiten, die an Schweizer Design Hochschulen im Bachelor eingereicht werden. Als Berufsverband setzen wir uns – seit über fünfzig Jahren – für eine hochstehende professionelle Ausbildung im Design ein.
Für den sda ba award 2020 der ZHdK nominierten die Vertiefungen Interaction Design, Industrial Design und Trends & Identity sechs Projekte. Die Jury – mit Dominic Sturm, Meret Ernst, Alex Robert und Benjamin Moser unter Leitung von Valerie Notter de Rabanal – prämierte die Arbeit aus der Vertiefung Interaction Design:
sda ba award Winner
Claudia Buck und Randy Chen
Journey to Recovery – Making sleep therapy more motivating, entertaining and informative for children
Eine schwere Gehirnerschütterung braucht viel Schlaf, damit sie geheilt wird. Um die Schlafqualität von betroffenen Kindern zu verbessern, entwickelte die Forschungsgruppe SleepLoop (ETHZ und Universität Zürich) ein Schlafgerät, das jeden Abend getragen werden soll. Kinder brechen allerdings die Therapie oft ab, weil sie diese als eintönig und repetitiv erleben. Um die therapeutische Anwendung zu verbessern, haben Claudia Buck und Randy Chen eine App gestaltet. Sie unterstützt die Kinder nicht nur bei der korrekten Platzierung der Elektroden mit Hilfe von Augmented Reality, sondern sie begleitet auch den sieben Nächte dauernden Therapieprozess auf kindgerechte Art. «Journey to Recovery» verbindet so die Schlaftherapie mit fesselnden Geschichten. Die beiden Interaction Designer haben im Lauf der Recherche die vorgegebene Zielgruppe auf Kinder von 8 bis 12 Jahren eingegrenzt. Methodisch adäquat nutzen sie einen User centred Ansatz. Das Projekt zeigt, dass überzeugende Designlösungen alle Aspekte eines Prozesses einbeziehen, lobt die Jury: Von der adäquaten Methode zur Wahl des zielgruppengerecht ausgewählten Themas und des Storytellings, von der Nutzung des medientechnischen Potenzials bis hin zur konkrete Ausgestaltung des Interface. Was Claudia Buck und Randy Chen mit diesem Projekt exemplarisch umsetzen, kann auch für weitere medizinische Therapien genutzt werden.
Wir gratulieren herzlich!
Die weiteren nominierten Projekte sind (ohne Rangfolge)
Vertiefung Industrial Design
Benjamin Josi
SIMPLX – Hylomate Surgical Applicator
Über eine Million Herzschrittmacher werden pro Jahr Patient*innen eingesetzt. Dazu benötigt es eine Operation, die im Schnitt 30 Minuten dauert. Hauptursache von Komplikationen ist sich bildendes Narbengewebe, mit dem der Körper auf das Implantat reagiert. Dagegen hilft eine von der Firma Hylomate entwickelte Pouch, die das Implantat umhüllt. Wegen ihrer adhäsiven Eigenschaften ist sie allerdings bisher schwer nutzbar. Hier setzt das Projekt SIMPLX an: Der ergonomisch optimierte, trichterförmige Applikator ermöglicht Chirurg*innen den unkomplizierten Einsatz. In acht Schritten wird das Implantat in die Hülle eingeführt, bevor es den Patient*innen eingesetzt wird. Mit SIMPLX bearbeitet Benjamin Josi ein relevantes Thema und gestaltet eine überzeugende Lösung, die den Ansprüchen an Usablity und Sterilität im Operationssaal genügt. Die Patentanmeldung liegt bereits vor, der Applikator soll weltweit eingesetzt werden. Geplant ist eine Produktfamilie, die auch für andere Anwendungen wie Brustimplantaten dient. Die Jury lobt die sorgfältige Designarbeit und sieht weiteres Potenzial, etwa in der Frage, ob das Disposable mit einer Verpackung kombiniert werden könnte, um so eine weitere Vereinfachung der Arbeitsschritte zu ermöglichen.
Vertiefung Industrial Design
Vasili Skoromnik (im Tandem mit Dario Messerli, Student ETH Maschinenbau)
Long Limbs Prosthetics – An Interchangeable Prosthetic System for Long Stump Amputees
Im Auftrag des IKRK entwickelte Vasili Skoromnik im Tandem mit Dario Messerli (Student ETH Maschinenbau) ein bestehendes Prothesensystem für den Einsatz in Krisengebieten weiter. Der modulare Aufbau der Prothese ermöglicht eine einfache Anpassung an individuelle Bedürfnisse. Das System besteht aus vier Komponenten: einer Unisex-Fusshülle aus elastischem Polyurethan in je drei Farben und Funktionsstufen (Comfort, Regular, Active); einem Kiel, der den Fuss mit dem Gelenk verbindet; einem Sprunggelenk, das den Kiel mit der eigentlichen Beinprothese verbindet; und einer hoch belastbaren Mutter, welche die Prothese mit bestehenden Systemen kompatibel macht. So kann der Fussteil, der rasch abgenutzt wird, kostengünstig ersetzt werden. Mit der naturalistischen Gestaltung des Fussteils will das Projekt die Akzeptanz von Long-Limb- Prothesen erhöhen, die im Entwicklungszusammenhang eingesetzt werden. Die Jury lobt den technisch weit gediehenen Projektstand, sieht aber weitere Entwicklungschancen. So scheint ihr die Variationsmöglichkeit relativ klein: Sie regt weitere Explorationen zur formalen Anmutung der Fussprothese an und fragt sich, ob eine stark naturalistische Ausformung die tatsächlichen Nutzerbedürfnisse erfüllt.
Vertiefung Trends & Identity
Martina Borsoi
Twist Soap
Twist Soap ist ein mechanischer Spender aus Holz, der Trockenseife in Flocken anbietet. Durch eine Drehung des Spenders wird die Seife portioniert und bietet so eine hygienische und praktische Verwendung. Clever ist, dass Martina Borsoi nicht nur den Seifenhalter entwickelt hat, sondern auch die Seife dazu liefert. Twist Soap sieht sich als Gegenentwurf zu Flüssigseifen, die einen hohen Verpackungsaufwand haben. Martina Borsoi will die Seife extra herstellen lassen und mit der Verwendung von speziell ausgewählten Gewässern und Duftnoten einen lokalen Bezug herstellen. Auf eine breite, urbane Zielgruppe ausgerichtet, soll der Spender in Concept Stores und allenfalls über einen eigenen Kanal angeboten werden. Die Idee eines tragbaren Trockenseifenspenders vermindert den Verbrauch von Plastikverpackungen. Die Autorin erkennt – in Zeiten von Corona – den Wunsch nach mobiler Handhygiene. Sie kombiniert diesen Wunsch mit einem ebenfalls aktuellen ökologischen Fokus und setzt ihn adäquat um, lobt die Jury. Allerdings könnte das Potenzial des Seifenspenders im Kontext von standortbezogener Kommunikation und Herstellung der Seifenstücke – sei es im Bereich Souvenir, Wellness oder Hotellerie – noch tiefer exploriert werden.
Vertiefung Trends & Identity
Christoph Ibrahim
LU – Lieblingsunkraut durchquert die Stadt
Christoph Ibrahim beschäftigt sich in seiner Abschlussarbeit intensiv mit einem unterschätzen Kraut – der Brennnessel. Auf dieser Pflanze basiert er sein Label LU, das die Brennnessel als alte Kulturpflanze mit vielfältigen Anwendungen wieder nutzbar machen will. Für dessen Produkte wird die Brennnessel von der Wurzel bis zur Triebspitze zerlegt. Dabei wird sie meist als Unkraut gesehen und zurückgestutzt. Die passionierte Arbeit ist breit recherchiert. Seine Wahl fiel schliesslich auf die Fasern des Stiels, die zu Nesselgarn und -stoffen verarbeitet werden. Er gestaltete damit einen Sommerschuh, den er in drei Prototypen umsetzte. Das Projekt thematisiert den über Jahrhunderte eingesetzten, lokal rasch nachwachsenden Rohstoff, der durch die Industrialisierung der Baumwolle zurückgedrängt wurde. Die Arbeit zeigt auf, wie das Potenzial einer alten Kulturpflanze aufgenommen und mittels diverser Produkte propagiert werden kann, lobt die Jury. Sie rät dem Verfasser, in enger Zusammenarbeit mit spezialisierten Designer*innen das Produkt weiter zu entwickeln oder die Kampagne zu vertiefen, um der Brennessel den gebührenden Platz in der Schweiz einzuräumen.
Verteifung Interaction Design
Marcial Koch
Hearo – Werkzeugsatz zur Erforschung deiner akustischen Raumwahrnehmung
Marcial Koch hat sich dem Phänomen der akustischen Wahrnehmung angenommen. Das Projekt «Hearo» resultiert in einem experimentellen Werkzeugkoffer mit vier Geräten, mit dem die akustische Wahrnehmung von Räumen aktiv erforscht werden kann. Kern ist der parametrische, auf dem Kopf oder vor den Augen getragene Lautsprecher, der akustische Phänomene im Raum erlebbar macht – die Architektur wird statt visuell akustisch über die zurückgeworfenen Schallwellen wahrnehmbar. Erklärtes Ziel des Interaction Designers ist es, eine neue Sensibilität bei der Gestaltung von Räumen zu fördern und verschiedenen Anwendungsbereichen zugänglich zu machen. Tatsächlich haben bereits 15 Expert*innen aus Architektur, Design, Raumplanung und anderen Bereichen Interesse angemeldet. Marcial Koch plant eine Community aufzubauen, die ihre Erfahrungen und Erkenntnisse austauscht. Die Jury lobt die konsistente Formensprache der Objekte, die Bezug auf eine Epoche nimmt, als Audiogeräte in den 1970er-Jahren transportabel wurden. Der verspielte und enthusiastische Ansatz zur Erforschung dieses Phänomens lässt zukünftige Experimente und Anwendungen erhoffen, lobt die Jury. Damit aus «Hearo» ein Forschungstool oder ein didaktisch eingesetztes Werkzeug wird, braucht es indes noch Überlegungen zur Archivierung und Vermittlung von Wahrnehmungserfahrungen.