sda ba award 2016: HSLU D&K
Zum dritten Mal vergibt swiss design association einen Bachelor Award an Absolventen unserer Partnerschulen. An der Hochschule Luzern - Design & Kunst wurden aus den Studienbereichen Objekt Design, Textil Design, und Design Management vier Arbeiten nominiert. Die Jury, an der die Vostandsmitglieder Alexa Blum und Meret Ernst sowie die sda-Mitglieder Thai Hua und Jakob Zumbühl teilnahmen, prämierte aus dem Bereich Objekt Design und Textil Design die gemeinsam verfasste Arbeit von
Janina Peter und David Williner
«Shelter. Ein Zuhause auf 90 x 200 cm»
Wer in der Schweiz Asyl sucht, sieht die eigene Privatsphäre auf die Masse einer Standardmatratze geschrumpft. Bis zu zwei Jahre leben Asylsuchende meist in Mehrbettzimmern ohne jede Rückzugsmöglichkeit. Hier setzt die Bachelorarbeit shelter von Janina Peter und David Williner an. Sie entwickelten eine Reihe von Produkten, die als «Add-Ons» mit einem Schlaufensystem an Hochbetten aller Art angebracht werden. Gelochte Platten aus Birkensperrholz sowie im Siebdruckverfahren mit einfachen, geometrischen Mustern bedruckte Vorhänge schirmen und dunkeln den Schlafplatz ab; Haken, Regale, kleine und grosse Taschen generieren Stauraum und Ablageflächen. Ein Spiegel bietet einen Hauch Luxus und stützt die Selbstachtung von Menschen, die auf der Flucht alles verloren haben. Als System entwickelt, ergänzen sich die einzelnen Teile funktional und formal, sprechen Erwachsene ebenso wie Kinder an und beruhigen die improvisiert wirkende Raumatmosphäre solcher Mehrbettzimmer. De beiden Designer setzen auf eine einfache Verarbeitung, so dass die überzeugend gestalteten Produkte auch in den zentrumseigenen Nähateliers und Werkstätten von den Asylsuchenden hergestellt werden könnten. Damit würde ein weiteres grosses Problem angegangen: die mangelnde sinnvolle Beschäftigung von Asylsuchenden.
Die Arbeit nimmt Asylsuchende ernst, fügt den Lösungsvorschlag clever in ein bestehendes System ein und verbessert dieses mit überschaubarem Aufwand. Die von einer Textildesignerin und einem Objektdesigner gemeinsam erarbeitete Lösung zeugt von einem reifen Rollenverständnis, was Social Design leisten kann. Auch deshalb ist die Jury überzeugt, dass für die nun anstehende Umsetzung die bestmögliche Lösung gefunden wird, was die definitive Materialisierung betrifft. Und glaubt an die Realisierbarkeit des Projekts mit dem skizzierten Bottom-up-Ansatz – trotz des schwierigen Umfelds, in dem hart kalkuliert wird.
Die weiteren nominierten Arbeiten sind:
Designmanagement
Alessandra Lacher
«Stay alive – a strategy to involve laymen in first aid procedures in cardiac emergencies»
In der Schweiz passiert jede Stunde ein Herznotfall, 4 von 5 Fällen ereignen sich ausserhalb des Spitals. Eine steigende Zahl stirbt oder erleidet schwerwiegende Gesundheitsschäden, weil keine Soforthilfe geleistet wird. Hier setzt das Projekt Stay Alive von Alessandra Larcher an. Auf drei Ebenen will sie Laien unterstützen, Erste Hilfe zu leisten. Eine klassische Kampagne trägt erstens das Thema breit in die Bevölkerung, erläutert die nötigen Schritte und klärt über die psychologischen Gründe auf, weshalb Passanten oft nicht eingreifen. Auf einer Online-Plattform können sich zweitens künftige Retter eintragen und werden angeregt, Erste-Hilfe-Kurse zu besuchen – kombiniert mit einem Belohnungssystem, das mögliche Partner wie Versicherungen oder Krankenkassen einbindet. Drittens senkt eine App die Schwelle, einzugreifen: Im Notfall alarmiert ein Knopf die Sanität und Laien-Retter in der Nähe, übermittelt den Ort des Notfalls und zeigt, wo sich der nächste Defibrillator befindet.
Die breit recherchierte Arbeit nimmt ein relevantes Thema auf, skizziert ein realistisches Konzept, das ebenso von einem Human centered Approach profitiert wie es die Verheissungen der Gamification nutzen will. Die Jury lobt, wie die Autorin den gesamten Prozess bedenkt und ihre Rolle als Designmanagerin umfassend versteht. Damit die nötigen Partner, die bereits Interesse signalisiert haben in einem nächsten Schritt auch mitziehen, empfiehlt die Jury der Autorin, verstärkt die harten, gesundheitsökonomischen Fakten in ihre Argumentation einzubinden.
Aus dem Bereich Objektdesign:
Alain Zanchetta
«Trasporta»
Der Blick auf Einschränkungen und Behinderungen kann eine Chance sein, auf neue Produktideen zu kommen. Von dieser Prämisse geht Alain Zanchetta aus und entwickelt mit Trasporta eine Tasche, die auf die spezifischen Bedürfnisse für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern eingeht. Eine sorgfältige Funktionsanalyse brachte ihn dazu, ein auf den Knien aufliegendes Tablett mit einer Tasche zu kombinieren, die unterschiedlich genutzt werden kann. Dabei bildet das Tablett den festen Boden der Tasche und wird mit elastischen Bändern daran befestigt. Wird es ohne Tasche benutzt, kann es mit einer Schlaufe am eigenen Gürtel befestigt werden. Die konisch zugeschnittene Tasche lässt sich leicht herunterkrempeln und bietet Stauraum für Alltagserledigungen. Ein cleveres Bandsystem erlaubt es, die Tasche, die mit einem Klettverschluss geschlossen wird, hinten am Rollstuhl einzuhängen.
Die Jury lobt die Sorgfalt, mit der Alain Zanchetta die Bedürfnisse in eine Tasche übersetzt hat und dabei in der Formgebung auf ein inklusives, nicht stigmatisierendes Design setzt. Die Absicht, die Tasche ausserhalb des spezialisierten Marktes für Rollstuhlfahrenden zu positionieren, bedarf indes noch einiger Abklärungen.
Aus derm Bereich Designmanagement:
Carole Fabia Meier
«Wine up! Designing an approachable wine drinking concept»
Motiviert von persönlichen Erfahrungen, welchen Stellenwert Wein im sozialen Zusammensein haben kann, versucht Carole Fabia Meier mit ihrem Projekt Wine up! den individuellen Geschmack, die eigene Meinung der Geniesser zu stärken. Denn obwohl zu allen Zeiten und überall auf der Welt Wein getrunken wird, gilt Weinkonsum immer noch als elitär und betont Klassenunterschiede. Dazu tragen Weinkurse, Weinprobe und Spezialisten bei, aber auch die Gestaltung der Etiketten wirken ausschliessend. Hier hakt Carole Fabia Meiers Konzept ein: Ihre Veranstaltung, die sie bereits dreimal getestet hat, setzt nicht auf Spezialistenwissen, sondern auf die Ermächtigung der maximal neun Teilnehmenden. In der Reduktion der Themen rund um den Wein lernen sie schrittweise, ihre Vorlieben ernst zu nehmen. Ein Booklet für eigene Notizen nehmen sie als Erinnerungsstütze mit.
Die Jury lobt den frischen Blick auf die als elitär wahrgenommene Vermittlung von Wein und die direkte, persönliche Art, wie die Teilnehmenden zu ihrem eigenen Wein-Geschmack geführt werden sollen. Zu wünschen wäre, dass der Nutzen der entwickelten Methode auch auf andere Aufgabenstellungen hin befragt wird um so bestehende Instrumente des Designmanagments zu erweitern.