sda ba award 2016: FHNW HGK Industrial Design
Zum dritten Mal vergibt die swiss design association einen Bachelor Award an Absolventinnen und Absolventen unserer Partnerschulen. An der FHNW - Hochschule für Gestaltung und Kunst wurden fünf Bachelor Arbeiten aus dem Institut Industrial Design nominiert. Die Jury, an der die Vorstandsmitglieder Alexa Blum, Andreas Saxer und Anna Blattert sowie sda-Mitglied Daniel Wehrli teilnahmen, prämierte die Arbeit von
Kathrin Blikisdorf, Schuhe für Freitag
Ausser der Sohle ist der komplette Schuh 3D-gestrickt. Durch ein spezielles Verfahren wird die Sohle direkt an den Schaft gespritzt. Die Produktion erzeugt keine Materialreste und es werden rezyklierte Garne und Kunststoffe eingesetzt. Die Herstellung erfolgt in wenigen Arbeitsschritten. Somit soll der Schuh in der Schweiz produzierbar sein, was dem Leitfaden von Freitag entspricht. Zum lebhaften Strickmuster stellt die reduzierte Sohle einen Kontrast dar. Der leichte Alltagsschuh steht für den schonenden Umgang mit Ressourcen.
An dieser Arbeit beeindrucken die umfassend erarbeiteten Grundlagen, die sorgfältige Recherche und die ausführliche Variantenbildung. Der Ansatz ist innovativ und zeigt erstaunliche Kenntnisse im Umgang mit Strickkonstruktion und -design. Die mitgedachte, generative Gestaltung hebt sich von den bekannten gestrickten Schuhmodellen ab. Kathrin Blikisdorf entscheidet sich für die Werte eines Nischenplayers um ein alternatives Konzept zu ermöglichen. Dank der einfachen Produktionsweise ist eine Herstellung in Europa absolut denkbar. Die Jury sieht grosses Potential für eine Weiterentwicklung. Schlussendlich ist es aber nicht das Endprodukt, nicht die Anlehnung an Freitag, sondern die Breite und Tiefe im Prozess, welche zu einem einstimmigen Juryentscheid führt und dieser Arbeit den sda Bachelor Award verleiht.
Die weiteren nominierten Arbeiten sind:
Remo Mathys, Insulinsystem
Das Messgerät, die Spritze und die Pumpe zeigen eine zukünftige Therapie von Diabetes auf, welche die Medizin entlastet und das Leben des Patienten erleichtert.
Die Produktfamilie basiert auf den verschiedenen Ausprägungen von Diabetes und soll diese abdecken. Das Messgerät erfasst den Glukose-Wert kontinuierlich und nicht-invasiv. Die Insulininjektion erfolgt über Mikronadeln, welche Gewebeschäden am Patienten minimalisieren. Diese gesammelten Informationen personalisieren die Geräte. Des Weiteren ermöglichen die Daten eine direkte Kommunikation mit dem Arzt und machen neue Service-Konzepte möglich.
Remo Mathys hat ein gesellschaftlich zunehmend relevantes Thema aufgegriffen und das Potential des technischen Fortschritts erkannt. Er hat sich vertieft mit der Thematik befasst und die richtigen Ansprechpartner kontaktiert. Die Gestaltung der Objekte löst allerdings den von ihm gestellten Anspruch, sich weg von der Technik, hin zum Lifestyleobjekt zu bewegen nicht ganz ein. Die Farb- und Materialwahl wird gerade bei einem Insulinsystem rasch mit einer Arztpraxis assoziiert. Die Jury hätte sich hier mehr Mut zu Farb- und Materialexperiment gewünscht.
Samuel Lodetti, Infusionsständer
Mit Lino an seiner Seite kann das Kind im Spital Spital spielen. Spielzeug und Infusionsständer, kommen zusammen und werden zum neuen Kameraden.
Auf Linos Rücken kann es sich ausruhen, aber auch rumdüsen. Durch seine leuchtenden Ohren passt er in der Nacht auf, dass nichts Böses passiert. Sein Fell kann man mit Zeichnungen nach Lust und Laune verändern. Abenteuer sind mit Lino durch das Fernrohr, das er am Hals trägt, immer möglich. In seinem Bauch hat er immer Platz für den Lieblings-Teddy, neben dem Infusiomat und dem Perfusor. Mit seinen Zähnen hält er die Infusionsbeutel fest. Seine starken HPL Muskeln sind einfach zu Reinigen.
Lino, Spielzeug und Infusionsständer, verbessert die Beziehung der kleinen Patienten zum Spital, vertreibt die Angst und zaubert dem Kind ein Lächeln ins Gesicht.
Samuel Lodetti hat eine Nische entdeckt. Die bestehenden Infusionsständer für Kinder sehen aus wie aus einem Souvenirshop in Disneyland oder sind sterile technische Objekte, beides lässt der Phantasie wenig Spiel. Nicht so sein Entwurf ”Lino“ der die Vorstellungskraft der Betrachter sofort anregt und dem eigentlich schweren Thema eine wohltuende Leichtigkeit verleiht. Unterstützt wird dies durch die tolle Story welche Samuel Lodetti herausragend präsentiert. Leider bleiben zum jetzigen Zeitpunkt zu viele technische, funktionale und gestalterische Fragen offen. Die Jury hofft, dass diese geklärt werden können und das Projekt in eine nächste Phase gehen kann.
Christoph Buomberger, Tobias Pfister, Wohnbedarf 2016
Wie könnte das Sortiment der Wobag aussehen, wenn sie heute gegründet würde? Diese Frage beantwortet die Arbeit mit drei Entwürfen, welche auf hocheffizienten Maschinen gefertigt werden können und überraschende neue Lösungen für bekannte Probleme darstellen.
Zurückhaltende Gebrauchsgegenstände – Zeitgenössische Volksmöbel. Ein Tisch, der gedrückte Blechteile enthält und darum mit einem Minimum an Material auskommt. Ein formverleimtes Bett, das in der Breite verstellbar ist und einfach zusammengesteckt wird. Und ein Klappstuhl, dessen Stahlrohrgestell ausgelasert und auf diese Weise beinahe ohne Rest hergestellt werden kann. Speziell ist, dass die Produktion der drei Entwürfe keine hohen Werkzeugkosten erfordert und einige Normteile verwendet, wodurch auch geringe Stückzahlen preisgünstig hergestellt werden können.
Christoph Buomberger und Tobias Pfister haben sich in ihrer Arbeit einer tiefen Auseinandersetzung mit der Thematik hingegeben. Die Herangehensweise ist überzeugend: Sie haben die wichtigen Möbelproduzenten der Schweiz getroffen, sich detailliert mit deren Möglichkeiten und Herstellungsverfahren befasst und Gespräche mit führenden Möbeldesignern geführt. Der Ansatz zurückhaltende, zeitgenössische Volksmöbel zu gestalten ist gelungen. Die Jury möchte vor allem den technisch überraschenden und herausragend konstruierten Klappstuhl hervorheben. Der innovative Ansatz der beim Stuhl als Teil der Gestaltung sichtbar gemacht und zelebriert wird, kommt bei den anderen beiden Möbeln jedoch zu kurz.
David Lux, Martin Sonderegger, Tauchsystem
Bei der Entwicklung dieses Tauchsystems wurde der Fokus auf die Sicherheit des Tauchers und eine einfache Bedienung gelegt. Tauchinstrumente und Anzeigen wurden auf einen Vibrationsalarm im Tragegurt reduziert. Automatisiert gesteuerte Auftriebskörper verhindern zu tiefe oder zu lange Tauchgänge. Die Vollmaske mit integriertem Schnorchel ermöglicht eine gewohnte Nasenatmung und erhöht die Überlebenschancen in Notsituationen. ORCA arbeitet, angetrieben vom Druck der Gasflasche, vollkommen autonom und gewährleistet während des gesamten Tauchgangs die Sicherheit des Tauchers
Die Designer haben in ihrem Prozess verschieden Konzepte erarbeitet und sich nach Meinung der Jury für das richtige Entschieden, einem Tauchsystem für Einsteiger. Damit erschliessen sie eine Marktlücke. Der Entwurf überzeugt ästhetisch und entspricht der gewünschten Zielgruppe. Die vorgeschlagenen technischen Lösungen sind in ihrer Einfachheit überraschend. Vermisst werden konkrete Versuche mit Funktionsmodellen und Mockups im Wasser. Somit bleiben gewisse Fragen in Bezug auf Ergonomie und Funktionalität offen.
Giulia Ravasio, Drahtbinder Leuchten
Die Drahtbinder winden Drähte seit Jahrhunderten zu Hause oder auf Wanderschaft zu Gegenständen für den Alltag. Jedoch haben bis jetzt wenige Designer mit dieser verspielten und zugleich grafisch wirkenden Ästhetik gearbeitet. Die entworfenen Leuchtkörper, wurden von Ľubomàr Smržàk in physische Lampenschirme aus Draht umgewandelt. Basierend auf drei Figuren des slowakischen Märchens «Die neun Vögel» verwandelte sich die böse Prinzessin in eine Stehleuchte, der mutige Schwarzkünstler in einen Begleiter für auf den Nachttisch und ein Vogel in eine Pendelleuchte.
Giulia Ravasio hat einen mutigen Ansatz gewählt, sie begibt sich in eine ihr neue Kultur und sucht nach Handwerkstechniken für ihre Arbeit, ohne im Vornherein zu wissen was sie vorfinden wird. Dabei entdeckt die Designerin das Drahtbinden, ein altes Handwerk das neben der industriellen Produktion keinen Platz mehr findet und setzt sich intensiv mit der Geschichte, den Methoden und vor allem auch den Menschen, welche diese Technik noch beherrschen auseinander. Es ist ihr in enger Zusammenarbeit mit den Handwerkern gelungen, formschöne Leuchtkörper zu entwickeln. Die Technik des Drahtbindens hätte dabei aber weiter ausgereizt werden können