sda ba award 2019: FHNW HGK Industrial Design

Alena Halmes, Augen zu Wasser fällt auf die heisse Kochplatte, es zischt. Wie klingt Wasser für geburtsblinde Menschen? Wie stellen sie sich die Bewegung des Wassers vor, die sie nicht ertasten können? Alena Halmes untersucht diese Wahrnehmung und kommt zu neuen, überraschenden Formen. Mit ihrem Set aus fünf Cocktail-Gläsern ermöglicht sie ein haptisches, akustisches und spielerisches Erlebnis. Sie erschliesst eine Erfahrung, die Sehende nicht machen können. Alena Halmes versteht Blindheit als Chance, das Nichtvisuelle in das Design zu integrieren. Die genaue Beschreibung und Übersetzung einer Wahrnehmungserfahrung kann sie auf andere Gestaltungsaufgaben transponieren. Geschult, genau hinzuhören und hinzusehen, erschliesst sie sich ein Vorgehen, das im Design wesentlich ist. Damit zeigt sie über den konkreten Anlass hinaus, dass jede Wahrnehmung individuell ist. Mit der Vergabe des Swiss Design Association Bachelor Awards wird eine Haltung unterstützt. Alena Halmes steht für Design ein, das sich um Wahrnehmung kümmert und sich nicht auf den ersten Blick in seiner Qualität erschliesst. Die Jury ist überzeugt, dass Alena Halmes – vielleicht mit Hilfe des Preises umso mehr – diese Arbeit weitertreiben und sie auch für andere Designaufgaben nutzen kann. Die weiteren nominierten Projekte sind: Ingmar Haudenschild, Vision Argo Das Frachtschiffkonzept Vision Argo nutzt die Segelkraft um mit einer Flotte von 30 Schiffen die Emissionen sämtlicher Autos auf der Welt in einem Jahr einzusparen. Wo der Wind nicht mehr ausreicht, kommen Elektromotoren zum Einsatz. Solarpanels und Wasserstoff-Brennstoffzellen sorgen für Strom. Das Konzept setzt bei ökologischen Kriterien an und gibt eine relevante Antwort: Gerade in der Frachtschifffahrt besteht Handlungsbedarf mit grosser Hebelwirkung. Ingmar Haudenschild projiziert ein Upgrade des Segelns in die Zukunft. Dabei verfolgt er eine Vision, die auf vertiefter Auseinandersetzung beruht. Der Autor hat sich für dieses Projekt eine breite Sachkenntnis erarbeitet. Resultat ist eine hohe Glaubwürdigkeit und eine gut nachvollziehbare Lösung. Dazu gehört auch die Praxistauglichkeit, die auf dem Einhalten gängiger Normen beruht und auf erprobte Technologien setzt. Die Jury lobt, dass der Designer das Ganze zu einem schlüssigen und visionären Gesamtkonzept zusammen zu bringen. Sie hofft, dass Ingmar Haudenschild mit seiner pragmatisch-lösungsorientierten Haltung die Vision in Richtung Umsetzung vorantreiben kann. Elias Kopp, Konzept / 3 Stühle Was ist Design und wie entwickelt sich das Berufsbild? Form ist Ausdruck des Zeitgeistes. Dieser ist an wirtschaftliche, kulturelle und soziale Bedingungen gebunden. Elias Kopp hat sein Interesse an der Schweizer Designgeschichte als Ausganspunkt für seine gestalterische Arbeit genommen. Als Basis für drei Stuhlentwürfe wählte er drei historische Diskurse aus und setzte sie in seinen ausgearbeiteten Vorschlägen in einen aktuellen Kontext: Er übersetzt den Paradigmenwechsel der Industrialisierung in die Digitalisierung und die dadurch mögliche Individualisierbarkeit, überträgt die Gute Form mit ihrer moralischen Komponente auf das Spannungsverhältnis von Ökologie und Ökonomie und spiegelt die Provokationen der Postmoderne in alternativen Herangehensweisen der Maker-Bewegung. An seinen Entwürfen konnte er wiederum die Theorie überprüfen. Die Jury lobt, wie souverän Elias Kopp im Blick zurück Referenzen zu drei heute relevanten Themen definierte. Seine so isolierten Erkenntnisse anhand von Stuhlentwürfen aufzuzeigen macht absolut Sinn und zeigt, wie inspirierend eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Designgeschichte sein kann. Luca Pfeiffer, Freddi Luca Pfeiffer greift mit seinem Projekt ein relevantes Thema auf. Sein Vorschlag will helfen, Foodwaste abzubauen und dabei Verhalten zu verändern. Bis zu einem Drittel der Lebensmittel werden weggeworfen – ein Skandal, der bessere Visibilität braucht und dessen Lösungsansätze eine höhere Akzeptanz erhalten sollten. Das Konzept basiert auf einem Service-Design-Gedanken: Der Verein Foodsharing bestückt öffentlich aufgestellte Behälter mit Lebensmitteln, die sonst im Müll landen würden. Die Luft zieht von unten her durch die Fair-Teiler, damit der Innenraum kühl bleibt. Die Lehmplatte auf der Rückseite bindet Feuchtigkeit und schlechte Gerüche. Der Entwurf ist durchdacht, angemessen und bereit zur Realisation. Der Designer setzt dort an, wo er in seiner Funktion viel erreichen kann. Die Jury ist überzeugt, dass die souveräne Gestaltung mithelfen könnte, das Problem des übermässigen Foodwaste ins Bewusstsein breiterer Bevölkerungsschichten zu führen. Dank der tiefen finanziellen Schwelle für ein «Go to market» stehen die Möglichkeiten gut, ihn – allenfalls mit Hilfe von Sponsoring – auch umzusetzen. Florian Sommer und Simon Sprich, Motus Der Rollstuhl Motus setzt auf neuartige Funktionen und erzeugt ein frisches Bild des Rollstuhls. Durch den Auszug im Hauptrahmen schieben sich die Sitzfläche und das Fussbrett nach vorne. So steigt die Rollstuhlfahrerin mühelos ein und aus und fährt an jeden Tisch heran. Der elektrische Antrieb unterstützt das Fahren, vom Rangieren in der Wohnung bis zur Rundfahrt um den See. Florian Sommer und Simon Sprich setzten bei ihrem Entwurf auf Human Centered Design. Sie identifizierten das Problem am Rollstuhl und arbeiteten anhand von vier Adjektiven – sportlich, futuristisch, leicht, bequem – an einem neuen Bild. Der Transfer in und aus dem Rollstuhl wird vereinfacht, was die Schulterbelastung reduziert. Auch die ästhetische Aufwertung ist dank der konsequenten Gestaltung gelungen. Von der elektrischen Transferunterstützung bis ins Detail von Licht und Bedienfeld sind schlüssige Lösungsvorschläge ausgearbeitet worden. Die Jury lobt die klare Auseinandersetzung mit der Rolle als Industriedesigner, inklusive User-Research und dem Brainstorming mit Konstrukteuren. Sie empfiehlt es ausserdem, für die Weiterentwicklung den Anschluss an den e-Bike-Markt (e-Rollstuhl) zu suchen. Manuel Jost, Mixed Reality Setzt man eine Mixed-Reality-Brille auf und nimmt die Reality Tools zur Hand, dann mischt sich die Realität mit Hologrammen. Darin eröffnen sich neue Möglichkeiten des Entwerfens: zeichnen und digitalen Clay modellieren, reale Objekte digitalisieren, Hologramme berühren, im Raum schwebende Pinnwände betrachten und zusammen mit anderen Designern an digitalen dreidimensionalen Entwürfen arbeiten. – Doch wie sehen die Werkzeuge aus, mit denen in der Mixed Reality gestaltet werden soll? Manuel Jost entwickelt in seiner BA-Arbeit eine Vision für computergestütztes dreidimensionales Zeichnen in der gemischten Realität. Er wählte mit Bedacht den professionellen Anwendungskontext und konzipierte 3D-Tools für Designerinnen, die über Computermaus und Keyboard hinausführen. Das tut er auf der Basis einer digitalen Interpretation von Werkzeugen (inklusive Werkstatt, die sich dadurch erschliesst) im virtuellen Raum. Die Werkzeuge sollen einen intuitiven Umgang ermöglichen. Die Jury sieht in der Arbeit viel Potenzial in der Anwendung mit Fachleuten. Die Gewinne sind Kollaboration dank virtueller Werkstatt, die Reduktion von Iterationsschritten und Prototyping bis in die Produktionsphase. Sie lobt ausserdem die hohe Qualität der Renderings. Wenn in diesem Bereich nutzerorientiert gearbeitet wird, erhöht das die Akzeptanzsteigerung und Nachfrage auf Seite des Designs. Damit wird die nötige industrielle Entwicklung in Gang gesetzt.
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Alena Halmes, Augen zu, 2019. Foto: André Hönicke
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Ingmar Haudenschild, Vision Argo, 2019. Foto: André Hönicke
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Elias Kopp, Konzept / 3 Stühle, 2019. Foto: André Hönicke
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Luca Pfeiffer, Freddi, 2019. Foto: André Hönicke
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Florian Sommer, Simon Sprich, Motus, 2019. Foto: André Hönicke
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Manuel Jost, Mixed Reality, 2019. Foto: André Hönicke